PHARMAZEUTISCHE ZEITUNG

Die sieben Todsünden

In den kommenden Jahren sehen sich laut Statistik über 6000 Apotheker mit der wohl größten Herausforderung ihres Lebens konfrontiert: Sie müssen ihr Lebenswerk, ihre Apotheke, in neue Hände geben. Damit der Verkauf gut gelingt, gibt es viel zu beachten.

Stimmen die Zahlen der Statistiker, so sind mehr als ein Drittel der Apothekeninhaber bereits über 55 Jahre alt und damit im übergabefälligen Alter. Um den Verkauf der eigenen Apotheke wohlüberlegt in die richtigen Bahnen zu lenken, ist ein Vorlauf von rund fünf Jahren angebracht. Gute Planung ist dabei wichtig, denn an Fallstricken mangelt es weder für den Verkäufer noch für den Käufer. Der Apothekenexperte Bernd Schubert erklärt die sieben häufigsten Gründe des Scheiterns.

Der richtige Zeitpunkt

Apotheker sollten nicht erst kurz vor knapp mit den Vorbereitungen für den Apothekenverkauf beginnen, sondern diesen überlegt und rechtzeitig vorbereiten. Warten sie ab, bis triftige Ereignisse – etwa gesundheitliche Probleme oder finanzielle Engpässe – eintreten, dann ist es in der Regel schon zu spät. Ein geringer Vorlauf schränkt schließlich den Handlungsspielraum extrem ein, da sich die Verhandlungsposition massiv verschlechtert. In der Folge hieße es dann für den Apotheker, dass er sein Lebenswerk zu einem Schnäppchenpreis verschleudern müsste. Der Zeitpunkt zum Verkauf sollte daher mit Bedacht und dem entsprechenden Vorlauf gesetzt werden.

Was die Preisvorstellungen für den Verkauf des Unternehmens betrifft, so schweben die meisten Apotheker in wahren Traumsphären. Grund dafür ist, dass sie an Preise denken, die vor etwa 20 Jahren mal aktuell waren. Der Apothekenmarkt hat sich in der Zwischenzeit aber rasant weiterentwickelt und nicht selten sind Apotheker geschockt, wenn ihnen der am Markt erzielbare Preis mitgeteilt wird. Der Grund hierfür liegt in der subjektiven Bewertung, denn nicht zuletzt haben die Apotheker viel Herzblut, Zeit und Leidenschaft in ihr Unternehmen investiert. Aber auch im Berufsstand verankerte, moralische und ethische Gründe behindern beim Verkauf. Unbedingt notwendig ist in dieser Situation ein Kennerblick, der die Tatsachen objektiv einschätzt, schließlich wird der Kaufpreis durch eine Reihe knallharter Fakten bestimmt. Maßgeblich sind dabei die genaue Zusammensetzung des Umsatzes, die Kostenstruktur und das Betriebsergebnis, das Warensortiment, der Zustand von Räumlichkeiten und Einrichtung, das Vorhandensein von Barrierefreiheit und natürlich die jeweils anzutreffende Wettbewerbssituation. All diese Faktoren – von der Kostenstruktur der Apotheke bis hin zur perspektivischen Entwicklung des Standorts – müssen einer genauen Analyse unterzogen werden.

Ohne Immobilie keine Apotheke – so weit so klar. Dass eine Immobilie, und damit auch die Apotheke, von einem Mietvertrag abhängen, das übersehen jedoch die meisten viel zu leichtfertig. Kann der Mietvertrag nämlich nicht mit einer ausreichenden Laufzeit auf den Käufer übertragen werden, so ergibt sich für den Käufer ein enormes Risiko. Dann drohen unter Umständen Mieterhöhungen und ein harter Konkurrenzkampf im Immobilienmarkt mit branchenfremden Interessenten. Der eherne Grundsatz vom Apotheker und Arzt als krisensicherem Mieter hat für viele geldhungrige Vermieter heutzutage oft keine Bedeutung mehr. Gleiches Risiko gilt nicht selten auch für die Banken, welche die Finanzierung der Apotheke unweigerlich an den Mietvertrag andocken. So kann es sein, dass der Mietvertrag zum Zünglein an der Waage wird, wenn entsprechende Laufzeiten in die Überlegungen nicht von Anfang an einbezogen werden.

Praxis zu – Apotheke tot

Eine wichtige Lebensgrundlage für Apotheken bilden die Ärzte, welche durch die Verordnung von Arzneimitteln für ausreichend Kundschaft sorgen. Daher muss beim Apothekenverkauf auch die Struktur der Praxen im Umfeld genau analysiert werden: Wie alt sind die Ärzte in der Umgebung? Haben die älteren Ärzte bereits einen Nachfolger oder sind diverse Praxen eventuell von der Schließung bedroht? Gerade in medizinisch unterversorgten ländlichen Gegenden ist ein Mangel an Praxen oft auch ein Todesurteil für Apotheken. Mit dieser Problematik sollte sich jeder Verkäufer rechtzeitig auseinandersetzen. Nicht wenige Ärzte gehen davon aus, dass sie ohnehin keinen Nachfolger finden, da die Praxisräume zu alt sind oder der Zugang nicht barrierefrei ist. Hier ist es hilfreich, sich frühzeitig mit den betreffenden Medizinern zu verständigen und gemeinsam eine Nachfolgeoption zu suchen – eventuell auch durch eine aktive und finanzielle Unterstützung des Apothekers.

Wichtiges Fachpersonal

Mitarbeiter können ebenfalls einen entscheidenden Faktor beim Verkauf von Apotheken darstellen. Denn zum einen muss das Personal einer Apotheke die entsprechenden fachspezifischen Voraussetzungen erfüllen, zum anderen muss es Verkaufsgeschick und menschliche Qualitäten mitbringen. Insofern ist der betriebswirtschaftliche Begriff des Human Capital treffend. Schließlich kommen Kunden nur dann wieder, wenn die Beratung kompetent, persönlich und freundlich ist. Beim Personal sollte also auf keinen Fall gespart werden. Darin liegt zudem der große Vorteil gegenüber einer Online-Apotheke. 

Ein weiteres wichtiges Verkaufsargument stellt die Einrichtung einer Apotheke dar. In den meisten Fällen und vor allem bei einem in Kürze anstehenden Verkauf ist davon abzuraten, nochmals viel Geld in eine neue Einrichtung oder neue Geräte zu stecken. Denn es ist nicht sicher, ob dem Käufer das neue Interieur überhaupt gefällt. Dann ist am Ende viel Geld in Dinge investiert, die dem Käufer gar nichts wert sind und die er am liebsten wieder entfernen möchte. Das soll aber nicht bedeuten, dass eine Apotheke vor dem Verkauf überhaupt nicht verschönert werden soll. Wenn etwa Teile der Beleuchtung nicht funktionieren, die Einrichtung beschädigt, die Wände zum Teil verschmutzt oder einzelne Regale defekt sind, dann gilt es, vor der Verkaufspräsentation Hand anzulegen. Ansonsten könnte das Interesse eines Käufers wegen des ersten äußerst negativen Eindrucks schnell dahin sein. Frische Farbe an den Wänden, reparierte Regale und Einrichtung und insbesondere gute Lichtverhältnisse können für einen attraktiven ersten Eindruck sorgen. Angenommen, Käufer und Verkäufer befinden sich kurz vor dem Abschluss des Kaufvertrags. Bislang hat eine ausgewogene, positive Stimmung geherrscht, man hat sich persönlich kennengelernt, es gab harmonische Gespräche, Unterlagen wurden ausgetauscht. Nur eines fehlt noch: die alles besiegelnde Unterschrift unter dem Kaufvertrag. Und plötzlich bekommt der Käufer Panik, plagen ihn Existenzängste. Auch der Verkäufer ist auf einmal angespannt: Ist das wirklich der richtige Käufer oder wird er über kurz oder lang mein Lebenswerk zerstören? An dieser Stelle sind nun von beiden Seiten Verständnis für die Gegenseite, Menschlichkeit und viel Fingerspitzengefühl gefragt. Dann ist letztlich auch diese Hürde gut zu meistern.

Autor: Bernd Schubert, s.s.p. Die Apothekenvermittler.
Quelle: PHARMAZEUTISCHE ZEITUNG
Ausgabe 21 / 2017