JOURNAL FÜR DIE APOTHEKE
Mietvertrag und Warenlager – nur nebensächliche Details?
In den kommenden fünf bis zehn Jahren werden sich circa ein Drittel aller Apothekerinnen und Apotheker in den Ruhestand begeben. Infolgedessen werden mehr als 6.000 Apotheken zum Verkauf stehen. Junge Apotheker, die mit dem Gedanken spielen, ihre eigene Apotheke zu besitzen, stehen also bald vor einer Vielzahl an Kauf-Angeboten. Beste Aussichten für Existenzgründer, ein gut erhaltenes Objekt zu günstigen Bedingungen zu erwerben. Doch bei aller Euphorie ist auch Vorsicht geboten – denn gerade im Hinblick auf veraltete Mietverträge und Warenbestände können Tücken lauern, die den Schritt in die Selbstständigkeit schnell zu einem Fehltritt lassen werden. Bernd Schubert, Wirtschaftsberater für medizinische Heilberufe und erfahrener Apothekenfachmann, gibt Tipps, wie der Apothekenkauf zum Erfolg und nicht zum Reinfall wird.
Der Mietvertrag – das A und O beim Apothekenkauf
Ob ein zum Verkauf stehendes Objekt ein gutes Angebot ist oder nicht, hängt von vielen Faktoren ab. Neben den offensichtlichen wie der Analyse des Standorts, der bestehenden Kundenstruktur und dem Umsatz sowie der baulichen Beschaffenheit und Barrierefreiheit der Apotheke, sollte auch unbedingt der aktuelle Mietvertrag genauestens unter die Lupe genommen werden – ist er doch sowohl beim Apothekenkauf als auch -verkauf von grundlegender Bedeutung.
Häufig sind die Mietverträge nämlich nur für die bei der Gründung der Apotheke angestrebte Laufzeit gültig. Beim Kauf des Objektes und der damit einhergehenden Verlängerung des Apothekenbetriebes, kann der Vermieter mitunter strengere Auflagen, schlechtere Bedingungen und natürlich höhere Preise im neuen Mietvertrag festsetzen. Mit dem Mietvertrag steht und fällt auch häufig die Verhandlung mit der Bank und das Gewähren eines passenden Kredites.
Eines der größten Probleme: Die Mietverträge sind oftmals mehrere Jahrzehnte alt und wurden seit Abschluss nicht mehr aktualisiert – abgesehen von gelegentlichen Mieterhöhungen. Im schlimmsten Fall kann es sogar vorkommen, dass Mietverträge längst abgelaufen sind. Der Grund dafür ist einfach: Viele Apothekerinnen und Apotheker scheuen sich davor, den gut und bisher ohne Schwierigkeiten laufenden Mietvertrag zu ändern bzw. mit der Nachfrage nach einer Aktualisierung „schlafende Hunde“ zu wecken. Langfristig ist diese Vorgehensweise – spätestens wenn der Verkauf der Apotheke näher rückt – jedoch nicht ratsam. Denn dann tritt der Vermieter als zweiter Verhandlungspartner auf den Plan – und dieser wird mit großer Wahrscheinlichkeit die Miete an die aktuellen Marktpreise anpassen, sodass sich der Kaufpreis der Apotheke um einiges erhöhen kann. Im schlimmsten Fall kann der Verkauf der Apotheke platzen, weil der zusätzliche Kostenaufwand für den potenziellen Käufer nicht mehr finanzierbar ist.
Als Verkäufer rechtzeitig Vorsorge treffen
Um zu vermeiden, dass es zu unangenehmen Überraschungen kommt, sollte jede Apothekerin und jeder Apotheker spätestens fünf Jahre vor dem geplanten Verkauf der Apotheke einen prüfenden Blick in alle Verträge werfen, die ein potenzieller Käufer einmal übernehmen soll. Die Laufzeit des Mietvertrages sollte deshalb lange genug sein, um eine Finanzierung über die Bank zu gewährleisten. Außerdem sollte er in Etappen von drei bis fünf Jahren aufgespalten werden, die auch regelmäßig aktualisiert werden müssen. Diese Schritte sind sehr wichtig und schützen zum einen davor, vom Vermieter unvermittelt „vor die Tür“ gesetzt zu werden. Zum anderen gestalten sich die Verkaufsverhandlungen mit Interessenten um einiges leichter.
Darüber hinaus bringt diese Form des Mietvertrages noch weitere Vorteile. Ändern sich zum Beispiel die Standortfaktoren – ein neues Ärztehaus öffnet in der Nachbarschaft und die Option besteht, die Apotheke näher am Ärztehaus neu zu eröffnen, möchte man natürlich verhindern, dass sowohl in die alten als auch in die neuen Räumlichkeiten eine andere Apotheke einzieht – dann kann ein klug ausgeklügelter Mietvertrag strategisch clever sein. Auch das Recht auf Untervermietung sollte aus diesem Grund, oder im Falle einer schweren Erkrankung oder Todes, im Mietvertrag verankert sein.
Denn bei manchen Mietverträgen für gewerbliche Objekte wie Apotheken gibt es tatsächlich Fälle, bei denen die Gültigkeit erst mit dem Tod des Inhabers endet. Eine Klausel, die es schwer bis unmöglich macht, einen Nachfolger für die Apotheke zu finden. Um zu vermeiden, dass die Apotheke für alle Zeiten unverkäuflich ist, führt für die betroffene Apothekerin oder den Apotheker kein Weg daran vorbei, den Vermieter auf eine Vertragsänderung anzusprechen, auch auf die Gefahr hin, dass sich bei dieser Gelegenheit die Miete erhöht.
Apothekerinnen und Apotheker sollten sich immer der Tatsache bewusst sein, dass es sich bei Apothekenmietverträgen um gewerbliche und nicht um private Verträge handelt. Dies bedeutet, dass Mietverträge, die vielleicht im Vertrauen auf eine erfolgreiche Zukunft für zehn Jahre ohne jegliche Optionen abgeschlossen wurden, dann zum Problem werden können, wenn die Apotheke nach drei Jahren schließt. Der Vermieter ist in einem solchen Fall berechtigt, die ausstehende Miete für die restlichen sieben Jahre einzufordern. Findet er keinen geeigneten Nachmieter, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass er dies auch tut.
Vorsicht vor der Katze im Sack
Potenzielle Käufer einer Apotheke sollten sich also so früh wie möglich nach allen Verträgen erkundigen, die für den Kauf relevant sind. Der Mietvertrag muss unbedingt danach geprüft werden, ob er eine ausreichend lange Laufzeit sowie die bereits genannten Verlängerungsoptionen enthält. Vor allem im Hinblick auf benötigte Bankkredite könnte der Mietvertrag nämlich der entscheidende Faktor sein: Es kann durchaus vorkommen, dass Banken aus Planungssicherheit einen Mietvertrag mit einer Laufzeit von 15 oder mehr Jahren an einen möglichen Kredit knüpfen. Ist die Laufzeit kürzer, kann der Kredit verwehrt werden.
Das Warenlager – Inventur und Ausmisten notwendig
Hat man einen Interessenten gefunden, der bereit ist, die Apotheke zu übernehmen, gilt es, sich gemeinsam auf die wichtigsten Inhalte des Kaufvertrages zu einigen. Sowohl Käufer als auch Verkäufer sollten über die Höhe des Kaufpreises, den Zeitpunkt der geplanten Übergabe sowie die Bewertung des Warenbestandes einer Meinung sein. Der Bestand im Warenlager ist dabei ein weiterer Punkt, der besondere Aufmerksamkeit verdient. Sein Wert kommt noch zum reinen Kaufpreis der Apotheke hinzu. Im Sinne einer fairen Übergabe sollte daher der bisherige Inhaber der Apotheke in Absprache mit dem Käufer dafür sorgen, dass in der Zeit bis zum endgültigen Wechsel an den Nachfolger nur noch der notwendige Lagerbestand eingekauft wird, denn ein hoher Warenbestand macht die Übernahme teuer.
Spätestens sechs Wochen vorher sollte damit begonnen werden, die Ordermengen zu verringern und diese bis zum Stichtag der Übergabe immer weiter zu verkleinern. Zudem sollten Waren, die kurz vor dem Ende des Mindesthaltbarkeitsdatums stehen, in einer Verkaufsaktion so gut wie möglich reduziert und aus dem Lagerbestand entfernt werden. Ideal wäre es, wenn sich am Ende nur noch Waren mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum von einem Jahr oder länger im Lager befinden. Damit verringert sich der Preis für den Käufer des zu übernehmenden Warenbestandes auf ein vertretbares Mindestmaß.
Unterstützung für den Nachfolger
Sollten – trotz aller Sorgfalt – noch Ladenhüter übrig bleiben, so können diese als Gratis-Zugaben für die Kunden oder durch spezielle Verkaufsaktionen zum Sonderpreis angeboten werden. Auf jeden Fall ist es bei dem Verkauf wichtig, dass der Käufer die Apotheke mit einem sicheren Gefühl übernimmt und umgekehrt der Verkäufer seinen Besitz in gute Hände geben kann. Handelt es sich dabei doch um das Lebenswerk der Apothekerin oder des Apothekers, das nicht nur einen ökonomischen, sondern vor allem auch einen emotionalen Wert für den Verkäufer darstellt. Das Loslassen kann hier oft schwer fallen.
Deshalb noch ein Tipp am Rande: Man sollte nicht einfach unvermittelt in der neuen alten Apotheke auftauchen. Ist der gesamte Verkaufsprozess harmonisch und zum Wohlwollen aller verlaufen, kann der neue Besitzer den alten Inhaber durchaus bitten, als gelegentliche Aushilfe bei Bedarf einzuspringen. Dies bietet Vorteile für beide Seiten: Der Ex-Inhaber hat trotzdem noch Berührungspunkte zu seinem Lebenswerk. Der neue Inhaber kann bei seinen Kunden punkten, die nach wie vor Vertrauen in die neue Apotheke haben und weiterhin gerne kommen.
Autor: Bernd Schubert, s.s.p. Die Apothekenvermittler.
Quelle: JOURNAL FÜR DIE APOTHEKE
Ausgabe 2 / 2018