LAV BADEN-WÜRTTEMBERG E.V.

Beweggründe für den Apothekenverkauf 

Die altersbedingte und die gesundheitlich notwendige Abgabe sind noch immer die häufigsten Gründe, die eigene Apotheke zu veräußern, aber längst nicht die einzigen.

Bei ca. 34% der Apotheken-Abgaben im Jahr 2020* waren andere Beweggründe für den Unternehmensverkauf ausschlaggebend. Und dabei könnten die Abgabegründe nicht unterschiedlicher sein. Wer meint, dass sich der wirtschaftliche Misserfolg im Ranking der häufigsten Abgabegründe auf Platz zwei einreiht, der irrt. Das wird käuferseitig zwar häufig etwas voreilig unterstellt, wenn der Verkäufer noch keine grauen Haare nachweisen kann, tatsächlich spielt die wirtschaftliche Situation aber eine eher untergeordnete Rolle. 

Stefan Burr – Geschäftsführer – s.s.p. Die Apothekenvermittler:

„Nahmen im Jahr 2020 die Verkaufsaufträge bereits um 27% im Vergleich zum Vorjahr zu, erwarten wir für 2021 und 2022 eine nochmalige deutliche Steigerung. Für viele Apothekerinnen und Apotheker, die sich schon seit Längerem latent mit dem Verkaufsgedanken getragen haben, hat die Corona-Pandemie das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht – wobei festzustellen ist, dass sie selten der eigentliche Verkaufsgrund ist. Sie wirkt vielmehr wie ein „Verstärker“.

Aus der Praxis für die Praxis – Verkaufsgründe aus dem Jahr 2020*

Zu jung, um es auszusitzen (49 Jahre)

„Unsere Apotheke läuft gut und unsere Kosten halten sich allein schon deswegen in Grenzen, da sich die Apothekenräume in unserem Eigentum befinden. Grundsätzlich ist alles in Ordnung. Aber in unserer Region finden sich keine jungen Ärzte mehr, die die Praxen nachbesetzen. Zwei Allgemeinmediziner haben bereits geschlossen und die wenigen Ärzte, die noch da sind, werden in den nächsten fünf Jahren auch aufhören und deren Einschätzung nach mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Nachfolger finden. Dann bin ich Anfang/Mitte 50 und weder finanziell durch noch bereit dazu, den ganzen Tag Tauben zu füttern. Wenn ich mich jetzt nicht neu orientiere, holt mich und meine Familie das Problem kurz- bis mittelfristig ein“.

Vereinbarkeit von wirtschaftlichem Erfolg und Privatleben“ (Apothekerehepaar: 43 und 45 Jahre)

„Der Aufbau unserer Centerapotheke hat uns zu vermögenden Leuten gemacht und das in einer Form, wie wir es nie zu träumen gewagt hätten. Aber über zehn Jahre hinweg Öffnungszeiten von acht bis zwanzig Uhr an sechs Tagen die Woche zu bedienen, hat deutliche Spuren in unserem Privatleben hinterlassen, was der Grund dafür ist, jetzt die Reißleine zu ziehen – und zwar geschäftlich – nicht privat.“ 

Lebensqualität (47 Jahre)

„Unsere Region entwickelt sich als ehemaliger Industriestandort seit Jahren in eine Richtung, die für meine gesamte Familie – insbesondere aber mittelfristig für unsere Kinder – unattraktiv ist. Angefangen vom nahezu nicht vorhandenen kulturellen Angebot bis hin zur Tatsache, dass man aufgrund der Weitläufigkeit einen Chauffeur für die drei Kinder bräuchte, schließen auch noch nach und nach die Arztpraxen. Das entspricht nicht der Lebens- und Arbeitsqualität, die ich mir für meine Familie wünsche.“

Berufswahl (43 Jahre)

„Die Berufswahl war nie ein wirkliches Thema. Ich wurde mit maximaler Selbstverständlichkeit Apotheker und habe den elterlichen Betrieb zu einem Schnäppchenpreis übernommen – wohlgemerkt, ohne dass es überzogene Erwartungen an mich gab. Dieser Weg war für mich und meine Familie völlig normal – „naheliegend“ wenn man so möchte. Wirtschaftlich gesehen geht es mir gut – ehrlicherweise sogar sehr gut. Fakt ist aber – dass mir meine Arbeit keinen Spaß macht. Für mich ist es an der Zeit, etwas zu tun, was ich mir für die nächsten 20 Jahre vorstellen kann. Und bei diesen Überlegungen spielt die Pharmazie keine Rolle mehr.“

Systemzweifel (50 Jahre)

„Dass sich die Welt verändert und damit auch die Anforderungen an einen Apotheker, ist logisch und grundsätzlich auch in Ordnung. Ich muss mit Mitte 50 aber nicht mehr jeden Blödsinn mitmachen. Zwischenzeitlich treten Änderungen und „Zwangsmaßnahmen“ in einer derartigen Geschwindigkeit ein, dass man zum eigentlichen Job kaum noch kommt. Da ist man mit der Umsetzung der letzten Gesetzesänderung noch nicht ganz fertig, bahnt sich schon wieder das nächste Szenario an, für dessen Bewältigung man (gefühlt) einen Stab von fünf Mitarbeitern beschäftigen könnte.“

Wer verkauft, sollte einen marktkonformen Wert ermitteln lassen

Apotheker, die mit dem eigenen Standort oder der Apothekenwelt im Ganzen nicht mehr zufrieden sind, neigen nicht selten dazu, zu glauben, dass das auf ihre Kollegen auch zutreffen muss. Aber Vorsicht: Wer von sich auf andere schließt, lässt unter Umständen (viel) Geld liegen. Denn der Wert einer Apotheke ist nicht immer offensichtlich – was das nachfolgende Realbeispiel verdeutlichen soll.

Eine Apotheke mit einem Nettoumsatz von 1.200.000,- € erfreut sich derzeit kaum noch besonders hoher Nachfrage. Im konkreten Fall war das dem 63-jährigen Apotheker durchaus bewusst. Als er die Schließung in die Wege leiten wollte, wurde ihm von seinem Großhandelspartner die Firma s.s.p. empfohlen, um die Veräußerbarkeit zu beurteilen. Der Abgeber stellte die folgende – grundsätzlich berechtige – Frage: „Wer sollte denn bitte eine Landapotheke mit einem Betriebsergebnis von nur 85.000,- € p.a. übernehmen wollen?“

Die Antwort eines seiner benachbarten Apothekerkollegen lautete nach Kontaktaufnahme durch das Vermittlungshaus: „Es besteht bei aktiver Suche durch s.s.p. für mich das Restrisiko, dass sich doch ein junger Existenzgründer findet, der mir die nächsten 15 Jahre das Leben schwerer macht, als es für mich sein müsste – dieses Risiko möchte und muss ich nicht eingehen.“ 

Die Beiden einigten sich auf die Zahlung von 180.000,- € dafür, dass die Apotheke schließt und die Kunden konzentriert in die Nachbarapotheke übergeleitet werden. Das entsprach ca. 75% des Rohertrages der zu schließenden Apotheke.

Ein derart hoher Betrag wäre für den Verkäufer im Falle einer klassischen Übernahme nicht im Ansatz erzielbar gewesen. Es ist eher wahrscheinlich, dass er gar keinen Nachfolger gefunden hätte. Der Käufer hat die 180.000,- € Kaufpreis spätestens nach dem zweiten Jahr wieder „eingefahren“ – und er erzielt darüber hinaus ein dauerhaftes Mehr-Betriebsergebnis in Höhe von vorsichtig geschätzten 130.000,- € pro Jahr. 

Ein schönes Beispiel für eine echte Win-win-Situation.

Der Apothekenmarkt ist in Bewegung wie vielleicht nie zuvor. Das bringt Herausforderungen für alle Marktbeteiligten mit sich – aber auch interessante Chancen sowohl für Verkäufer als auch für Käufer von Apotheken.

Stefan Burr: „Es stellt sich in der Praxis nicht so sehr die Frage, welchen Wert die Apotheke für den aktuellen Besitzer hat. Die Frage müsste optimalerweise lauten: Welchen Wert hat meine Apotheke für Dritte, wer kann dieser Dritte sein und wie packe ich die Gespräche mit ihm richtig an? Bei diesen Grundüberlegungen spielt es im Übrigen keine Rolle, ob es sich um eine durchschnittliche Apotheke handelt oder um eine sehr erfolgreiche“.

*bezogen auf s.s.p.-Mandate im Jahr 2020

Autor: Stefan Burr, s.s.p. Die Apothekenvermittler.
Quelle: LAV BADEN-WÜRTTEMBERG E.V.
Ausgabe 2 / 2021