LAV BADEN-WÜRTTEMBERG E.V.
Der Apotheken(ver)kauf – Richtig verhandeln! Nicht der Kaufpreis allein ist entscheidend
Das Gefühl, hinterher schlauer zu sein, kennt fast jeder. Wenn man sich jedoch bei einer so bedeutenden Sache wie dem eigenen Unternehmens(ver)kauf nach Vertragsabschluss die Frage stellt, ob man zu wenig verlangt beziehungsweise zu viel bezahlt hat, hat man sich im Vorfeld vermutlich nicht ausreichend informiert und/oder nicht gut genug verhandelt.
Wer nicht verhandeln kann oder will, verschenkt viel!
Beim Wort „verhandeln“ kommt einem schnell der Basar einer Touristenregion in den Sinn. Dabei ist die Frage nach einem Nachlass zwischenzeitlich auch in unseren Breitengraten gesellschaftlich ebenso akzeptiert wie verbreitet. Beim Kauf eines Fernsehers beispielsweise ist das obligatorische „Geht da noch was?“ eher die Regel als die Ausnahme und auch beim Neuwagenkauf akzeptiert kaum jemand den Listenpreis. Und überschlägt man, was im Laufe der Jahre durch die Frage nach der Höhe des Rabatts beim Wareneinkauf in einer Apotheke eingespart werden kann, kommt man mit Zins und Zinseszins auf einen Wert, der sich – je nach Apotheke/n – zwischen einem Mercedes Maybach und einem Einfamilienhaus bewegt.
Mit Verhandlungen mehr erreichen
In unserer täglichen Praxis als Apothekenvermittler stoßen wir bei unseren Mandanten hin und wieder auf eine „Friss oder stirb-Mentalität“ – bei Apotheker:innen mit sehr umsatzstarken Apotheken ebenso wie bei Apotheker:innen mit weniger guten Standorten.
- „Ich verhandle grundsätzlich nicht. Das ist nicht meine Art und ich habe das mit meiner Apotheke auch nicht nötig. Wer die Apotheke will, soll sie zum angebotenen Preis nehmen oder es lassen!“
Und auch bei den Kaufinteressenten gibt es diejenigen, die mit „Gewalt“ ihre Vorstellungen durchsetzen möchten.
- „Ich habe die Zahlen von meinem Steuerberater prüfen lassen und zahle keinen Cent mehr!“
Dabei wird tagtäglich mehrfach – beruflich wie privat – verhandelt. Manchmal bewusst – häufig aber auch unbewusst: Mit der Filialleitung darüber, ob sie den nächsten Notdienst übernehmen kann und dafür jemand anderes an Weihnachten die Stellung hält, mit der approbierten Kraft, die gern mehr Gehalt möchte, da sie sonst zum Mitbewerber wechselt oder mit der 5-jährigen Tochter darüber, ob sie noch eine Stunde wach bleiben darf, weil schließlich Wochenende ist und sie morgen ausschlafen kann. Wir verhandeln instinktiv um unsere Ziele zu erreichen. Auch wer beim Apotheken(ver)kauf das Optimum herausholen möchten, sollte seinem Gesprächspartner das Angebot besser nicht wie einen nassen Lappen nach dem Motto „Friss oder stirb“ ins Gesicht klatschen. Das führt selten zum gewünschten Ergebnis –vom bestmöglichen gar nicht zu sprechen.
Tauziehen vermeiden
Eine gute Verhandlung hat nichts mit Schachern zu tun. Die Praxis zeigt, dass es in vielen Fällen um mehr geht als nur ums Geld. Wer würde seiner 18-jährigen Tochter das billigste Auto – ohne Airbag und ABS – empfehlen, das der KFZ-Markt herzugeben hat oder die Lieferbedingungen des Großhändlers ignorieren, nur weil dieser einen interessanten Nachlass einräumt. Vermutlich niemand. Meist gibt es Beweggründe, die dazu führen, dass der Preis für uns zumindest teilweise in den Hintergrund rückt.
Zwar ist der Apothekenkaufpreis aus Sicht der abgebenden wie auch aus Sicht der übernehmenden Partei ein wichtiges Kriterium. Aber auch hier gilt: Es ist nur ein Kriterium von vielen. Wer genau hinsieht, ein wenig kreativ ist und sich in sein Gegenüber hineinversetzt, wird erkennen, dass es viele Themen gibt, die Platz auf dem Verhandlungstisch finden können. Und je reicher dieser gedeckt ist, desto weniger laufen die Parteien Gefahr, dass die Gespräche in einem reinen Tauziehen um den Kaufpreis enden.
Einige Beispiele für den Verhandlungstisch:
- Manchmal ist eine schnelle Übergabe aufgrund einer gesundheitlichen Notsituation wichtiger als ein möglichst hoher Kaufpreis.
- Wenn Verkäufer:innen gleichzeitig auch im Besitz der Apothekenräume sind, wird viel Wert auf einen langfristigen Mietvertrag mit angemessener Miete und dauerhaft angenehmem Vertragsverhältnis gelegt.
- Die Käuferseite wünscht, dass das Warenlager bis zum Übergabebestichtag deutlich reduziert wird.
- Die abgebende Partei bietet Existenzgründer:innen eine unentgeltliche Einarbeitungszeit an.
- Die abgebende Partei organisiert für die Käuferseite ein gemeinsames Abendessen mit den Inhabern der Hauptverordnerpraxis.
- Der abgebenden Partei ist es wichtig, dass der Apothekenname nicht geändert wird.
- Bei Einstieg in eine OHG ist es der Käuferseite wichtig, dass das späteste Ausscheidedatum des verbleibenden OHG-Partners vertraglich geregelt wird.
- Die Käuferseite fordert vom verbleibenden OHG-Partner, dass ein Todesfallschutz zu ihren Gunsten abgeschlossen wird, um im Fall der Fälle die Familie des OHG-Partners auszahlen zu können.
- etc.
Keine Verhandlung ohne Verhandlungsmasse
Nicht selten erhalten wir euphorische Anrufe, in denen uns mitgeteilt wird, dass man sich über Alles geeinigt habe – lediglich über den Kaufpreis wurde noch nicht gesprochen.
Was menschlich nachvollziehbar ist, da Gespräche über den Kaufpreis häufig als unangenehm empfunden werden, ist verhandlungsstrategisch eine kleine bis mittlere Katastrophe: Der Verhandlungstisch ist nun vollständig abgeräumt und es verbleibt nur mehr der Kaufpreis, auf den sich nun beide Parteien maximal fokussieren. Bei einem solchen Zwischenergebnis sind die Gesprächspartner von einer Kaufvertragsunterzeichnung oftmals weit entfernt.
Verhandeln bedeutet Mehrwert schaffen
Man kann es sich leicht machen, indem man sich in den Vorbereitungen folgende zentrale Frage stellt: Was kann ich bieten, das einen hohen Wert für meinem Verhandlungspartner hat, mich hingegen wenig kostet?
Zwei Beispiele aus dem echten Leben:
- „Wenn Sie mir den vollen Kaufpreis bezahlen, biete ich Ihnen später meine beiden Filialen an, bevor ich auf andere potenzielle Käufer:innen zugehe.“
- „Beim Kaufpreis möchte ich Ihnen nicht entgegenkommen. Aber ich würde Ihnen meine beiden Lieferfahrzeuge inklusive der Winterreifen ohne Ablöse überlassen. Beide Fahrzeuge haben neuen TÜV und technisch in einwandfreiem Zustand.“
Während im ersten Beispiel der Nutzen für beide Seiten offensichtlich ist, müssen im zweiten Beispiel die Fahrzeuge nicht umständlich aus dem Betriebsvermögen herausgelöst und privat verkauft werden – zumal sie aufgrund des Alters ohnehin keinen nennenswerten Verkaufserlös einbringen würden. Für den Käufer der Apotheke jedoch haben die Fahrzeuge einen großen Wert, da er keine zusätzliche Finanzierung für Botenfahrzeuge aufnehmen und sich nicht um die Neuanschaffung kümmern muss.
In beiden Fällen wurde ein gegenseitiger Mehrwert geschaffen – und genau darum soll es bei einer guten Verhandlung gehen.
Die Basis muss stimmen
Jede noch so gute Verhandlung wird an einer nachweislich überzogenen Kaufpreisforderung – egal von welcher Seite sie kommuniziert wird – an ihre Grenzen stoßen. Wir empfehlen daher als Basis für zielführende Gespräche immer eine marktgerechte Apothekenwertermittlung, die für beide Vertragspartner transparent und rechnerisch nachvollziehbar ist.
In den kommenden Ausgaben erwarten Sie die Themen:
- Die häufigsten Verhandlungsirrtümer beim Apotheken(ver)kauf
- Verhandlungen richtig vor- und nachbereiten
- Wie Sie die üblichen Verhandlungsfehler vermeiden
Autor: Stefan Burr, s.s.p. Die Apothekenvermittler.
Quelle: LAV BADEN-WÜRTTEMBERG E.V.
Ausgabe 1 / 2022