LAV BADEN-WÜRTTEMBERG E.V.

Apotheken(ver-)kauf – Richtig verhandeln

Teil 2: Die häufigsten Verhandlungsirrtümer. Das Problem mit den Glaubenssätzen

Es ist so eine Sache mit den Glaubenssätzen. Sie bestimmen nicht nur, was wir denken, Sie beeinflussen auch unser Verhalten und damit das Ergebnis unserer Verhandlungsgespräche – auch im Bereich des Apotheken(ver-)kaufs.

Irrtum 1
Ein Kompromiss ist gut!

Nunja, ein Kompromiss ist zunächst einmal per Definition ein beiderseitiger Verzicht auf das, was man gern gehabt hätte. 

Gut am Kompromiss ist nur eines – dass es eine Einigung als solches gibt. Aber bei einem Kompromiss sind auch immer 100% der Beteiligten nur zu 50% zufrieden. Jeder gibt ein Stück nach – jeder verzichtet auf etwas. Man könnte auch von einer Lose-lose-Situation sprechen. 

Wo es geht, sollte auf einen Kompromiss verzichtet und stattdessen eine wirkliche  Win-win-Situation über den Weg gemeinsamer Wertschaffung angestrebt werden (siehe Artikel – Es geht nicht nur ums Geld – LAV Nachrichten Ausgabe 1-2022).

Ein Beispiel aus „dem echten Leben“:

Ein Kaufinteressent wollte für die zum Verkauf stehende Apotheke 110.000,- € weniger bezahlen, als abgeberseitig gewünscht und benötigt wurde. Entgegen des üblichen „Treffens in der Mitte“ oder gar einem Scheitern der Gespräche, haben sich die Parteien, die sich auf menschlicher Ebene gut verstanden, darauf geeinigt, den Übergabezeitpunkt um vier Monate nach hinten zu verschieben.

In diesem Zeitraum konnte der Verkäufer einen Mehrertrag erzielen, der den gewünschten Kaufpreisnachlass möglich werden ließ. Beide erhielten zu 100% das, was ihnen wichtig war. Hier wurde also eine echte Win-win-Lösung herbeigeführt. 

Irrtum 2
Ich bin im Nachteil, weil mein Gegenüber ein besserer Verhandler ist, als ich es bin!

Ihr Gegenüber macht den Eindruck eines geborenen Verhandlers?! 

Er ist höflich, verbindlich, angenehm und hat auf jede Frage eine gute Antwort? Mit seinen Checklisten wirkt er perfekt vorbereitet und seine Forderungen und Wünsche trägt er nachvollziehbar vor. Sie glauben, dass er Ihnen rhetorisch überlegen ist, Sie fühlen sich unsicher und tragen sich deshalb sogar mit dem Gedanken, sich einen alternativen Gesprächspartner zu suchen? 

Herzlichen Glückwünsch zur perfekten Ausgangssituation! Ein starker Gesprächspartner ist kein Nachteil – das genaue Gegenteil ist der Fall.

Je besser Ihr Gegenüber vorbereitet ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie mit all den Dingen, die eine schlechte Verhandlung ausmachen (unqualifizierte Blabla-Termine, emotionale Entgleisungen, sonstige Befindlichkeitsstörungen, Tauziehen um den Kaufpreis etc.) – nicht konfrontiert werden.

Und weil Sie ebenfalls optimal vorbereitet in Ihre Verhandlung gehen und genau wissen, was Sie zu bieten haben und wo Ihre Grenzen liegen (lesen Sie in der kommenden Ausgabe: Verhandlungen richtig vor- und nachbereiten), gibt es keinen Grund zur Sorge. Sie begegnen sich auf Augenhöhe, weshalb die Gespräche zu einem guten Ergebnis führen werden.

Und sollten Sie trotz aller Vorbereitungen immer noch unsicher sein, holen Sie sich die Unterstützung von Expert:innen zur Hilfe, die Sie bei den Gesprächen begleiten bzw. vertreten.  

Irrtum 3
Ein Kaufpreisnachlass gehört dazu!

VERHANDLUNGSBASIS 500.000,- € zzgl. Warenlager

Wenn Sie Ihr Angebot so eröffnen, teilen Sie allen potentiellen Interessent:innen mit, dass Sie wissen, dass Sie nicht das bekommen, was Sie wollen. 

Ist Ihre Apotheke 500.000,- € wert oder nicht? Wenn Sie sich aufgrund guter Vorbereitungen sicher sind, dass Ihre Apotheke diesen Wert hat, und, was viel wichtiger ist – dieser Wert nicht nur ein theoretischer Wert sondern auch ein am aktuellen Markt durchsetzbarer ist – warum sollten Sie ihn dann selbst in Frage stellen?  

In nahezu allen Verhandlungen wird ein Preisnachlass gewährt obwohl es in vielen Fällen, in denen einzigartige, also nicht eins zu eins vergleichbare Produkte angeboten werden, nicht erforderlich ist.  Das glauben Sie nicht?!

Brechen wir es mal runter, in dem wir uns die folgende Frage stellen: Würde Ihr Rabatt etwas am Verhandlungsergebnis ändern?

Situation 1: Nein, weil Ihr Gegenüber ohnehin kaufen wird.

Beispiel: In vielen Fällen hat Ihnen Ihr Verhandlungspartner unbewusst längst mitgeteilt, dass er Ihr Angebot angenommen hat. Wer beispielsweise mit dem Zollstock beim Ersttermin durch die Apotheke geht und darüber philosophiert, wo er seinen Chefschreibtisch hinstellt oder von einem positiven Gespräch mit der Kindergartenleitung am Ort berichtet, hat innerlich bereits gekauft.

Situation 2: Nein, weil Ihr Gegenüber ohnehin nicht kaufen wird.

Beispiel: Wir spüren im Gespräch, ob jemand wirkliches Interesse hat. Wenn die Apotheke für den Kaufinteressenten beispielsweise besonders ungünstig anfahrbar ist, würde selbst ein Nachlass von 50% nicht zu einem erfolgreichen Deal führen.

Situation 3: Nein, weil Sie ganz sicher keinen Rabatt geben werden.

Beispiel: Sie können nach Rücksprache mit Ihrer Bank gar keinen Nachlass geben, weil Ihre Restverbindlichkeiten das nicht zulassen.

Situation 4: Ja, Ihre Nachlassbereitschaft hat Einfluss auf die Entscheidung Ihres Gegenübers.

Selbstverständlich gibt es auch die Situationen, in denen wir spüren, dass ein Nachlass die Entscheidung des Gegenübers positiv beeinflussen kann. Aber Vorsicht: Wir erleben es immer wieder, dass aus der Ungeduld heraus oder der Angst, dass der Deal scheitern könnte, zu schnell zu großes Entgegenkommen signalisiert wird.  

Es ist die Kunst guter Verhandlungsführung, herauszufinden, wo der genaue Preispunkt liegt und ob er noch zu Ihren Vorstellungen passt. Tasten Sie sich in kleinen Schritten heran – es geht selten um hohe Beträge als vielmehr ums Prinzip.  

Fazit:

Im Ergebnis stellen wir fest, dass es in drei von vier Fällen keinen Sinn macht, über einen Nachlass zu sprechen. 

Tipp:

Ein klares aber sympathisch vorgetragenes Nein zur Nachlassfrage lässt die Gespräche i.d.R. nicht enden.

Nein sagen ist übriges leichter, wenn Sie den Ball mittels Feststellung und anschließendem Schweigen abgeben. 

Als Beispiel: „Sie bieten mir 100.000,- € weniger an, als es die Wertermittlung einer renommierten Firma aufzeigt.“ oder „Mit Ihrem Angebot komme ich noch nicht zurecht.“

Das Schweigen im Anschluss an Ihre Aussage mag schwerfallen. Aber das müssen Sie aushalten – wenn die Aussage Wirkung entfalten soll. Der Ball liegt nun bei Ihrem Gesprächspartner.

In vielen Fällen werden Sie Antworten erhalten wie: „Aber wenn am Preis nichts mehr geht, müssen wir über die Kosten für die Kaufvertragserstellung und das Botenfahrzeug sprechen.“

Irrtum 4
Mit dem eigenen Mitarbeiter verhandelt es sich am einfachsten

Als Menschen konzentrieren wir uns gern – da es naheliegend und vermeintlich einfach ist – auf uns bekannte Personen. Allerdings wissen wir aus der Verhandlungsforschung, dass Menschen, die sich mögen ebenso wie Menschen, die sich überhaupt nicht mögen, wenig verhandeln und zu schnell zu einem Konsens oder zum Abbruch der Gespräche kommen.

Unsere Erfahrungswerte als Apothekenvermittler zeigen, dass genau das bei den Verhandlungen über den Apothekenverkauf mit Mitarbeitern regelmäßig passiert. Gerade bei länger bestehenden Arbeitsverhältnissen fehlt häufig beidseitig der Abstand und die Neutralität zur eigentlichen Sache. 

Zwei regelmäßige Praxisaussagen, die verdeutlichen, was gemeint ist:

„Ich dachte, Sie freuen sich, wenn ich Ihnen die Apotheke anbiete. Und zum Dank lassen Sie mich jetzt über Ihren Steuerberater wissen, dass mein Kaufpreis viel zu hoch ist. Ein solches Verhalten hätte ich nicht von Ihnen erwartet.“

„Der Kaufpreis sollte schon meinem jahrelangen Engagement in meiner Funktion als Filialleitung gerecht werden. Schließlich habe ich die Apotheke für Sie auf- und ausgebaut und dafür soll ich jetzt auch noch diesen hohen Kaufpreis zahlen.“

Einer der wichtigsten Verhandlungsgrundsätze lautet: Gehen Sie niemals in eine Verhandlung, ohne Ihre beste Alternative zu kennen.

Wenn es also nicht nur darum gehen soll, wie der Apothekenverkauf am vermeintlich einfachsten von statten geht, sondern darum, wie Sie das bestmögliche Ergebnis erzielen können, wäre vor Ansprache der eigenen Mitarbeiter zunächst der Kaufpreis sorgfältig zu ermitteln und zu analysieren, wie Ihre bestmögliche Käuferalternative aussieht. 

Prüfen Sie vor Ansprache Ihrer Mitarbeiter unbedingt, ob es ggf. noch jemanden gibt, für den Ihre Apotheke wertvoller ist, als für Ihren Mitarbeiter. Das kann ein Existenzgründer sein, der in der Nähe zu Ihrer Apotheke ein Haus geerbt hat und im Rahmen seiner Existenzgründungsplanungen nicht umzugsbereit ist. Es kann auch der Mitbewerber sein, für den Ihre Apotheke das letzte Puzzleteil für seine Platzhirschstrategie ist und der dementsprechend bereit ist, einen deutlich höheren Kaufpreis zu zahlen, als der Rest des Marktes.

Loten Sie zuerst aus, wo Sie stehen und seien Sie sich im Klaren darüber, was der Markt bereit ist, für Ihre Apotheke zu zahlen. Und erst, wenn Sie das wissen, gehen Sie auf Ihren Mitarbeiter zu und führen das Gespräch aus einer starken und klaren Position heraus – mit einer echten Alternative in der Hinterhand. 

In den kommenden Ausgaben erwarten Sie die Themen:

  1. Verhandlungen richtig vor- und nachbereiten
  2. Wie Sie die üblichen Verhandlungsfehler vermeiden 

Autor: Stefan Burr, s.s.p. Die Apothekenvermittler.
Quelle: LAV BADEN-WÜRTTEMBERG E.V.
Ausgabe 2 / 2022