LAV BADEN-WÜRTTEMBERG E.V.

Verhandlungen richtig vor- und nachbereiten

Jede in die Vorbereitung investierte Minute wird sich doppelt für Sie auszahlen

70 bis 90 Prozent des gesamten Aufwands beim Apothekenverkauf entfallen auf die Zeit vor dem ersten Gespräch mit Kaufinteressent:innen. Demnach liegt in der Vorbereitung der Verhandlungen tatsächlich der überwiegende Teil der Kraftanstrengung.

So wichtig diese vorbereitenden Maßnahmen sind, so ungeliebt sind sie auch. „Was soll ich schon groß vorbereiten? Wenn jemand die Apotheke haben möchte, dann kann er sich einfach die Räume und die Jahresabschlüsse ansehen.“

Die Wahrscheinlichkeit, dass eine zu laxe Herangehensweise an den Verkauf der eigenen Apotheke zu keinem (guten) Ergebnis führen wird, weil es potentielle Käufer:innen schon etwas konkreter bräuchten, ist erfahrungsgemäß hoch.

Den Apothekenverkauf sorgfältig vorzubereiten ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund anzuraten, als dass die Nachfragesituation begrenzt ist. Dabei spielt es kaum eine Rolle, ob es sich um eine Apotheke mit 10 oder 3 Million Euro Jahresumsatz handelt. Der jeweilige Käuferkreis ist nicht unendlich groß und will dementsprechend professionell und sensibel angesprochen sein.

Wer Zeit und Mühe hinsichtlich der vorbereitenden Maßnahmen nicht scheut, wird gleichermaßen Freude als auch gute Ergebnisse beim Verkauf des eigenen Lebenswerkes erfahren.


Setzen Sie sich klare Ziele.

Sein Sie nicht Alice!

“Würdest Du mir bitte sagen, welchen Weg ich einschlagen muss?”, fragt Alice.
Das hängt in beträchtlichem Maße davon ab, wohin du gehen willst, antwortete die Katze.
Oh, das ist mir ziemlich gleichgültig, sagte Alice.
Dann ist es auch einerlei, welchen Weg du einschlägst, meinte die Katze.
Hauptsache, ich komme irgendwohin, ergänzte Alice.
Das wirst du sicher, wenn du lange genug gehst, sagte die Katze.

(Alice im Wunderland – Kinderbuch des britischen Schriftstellers Lewis Carroll.)

Nicht selten erleben wir, dass mit potentiellen Übernehmer:innen über den Verkauf der Apotheke gesprochen wird, noch bevor eine fundierte Kaufpreisermittlung und eine umfassende Exposéerstellung stattgefunden hat.

„Mein Steuerberater hat gesagt, ich bekomme ca. X Prozent vom Umsatz. Ich führe jetzt mal das Gespräch und schaue, was dabei rauskommt. Da werden wir uns dann schon irgendwie einig.“
Diese Aussage hören wir häufig im Zusammenhang mit dem angedachten Verkauf. Aber bitte, tun Sie das nicht!

Wenn Sie nicht ganz konkret wissen, was Sie möchten, wird das Ihrem Verhandlungserfolg sehr wahrscheinlich schaden.

Bevor Sie mit der Suche und Ansprache von Kaufinteressent:innen starten, empfiehlt es sich Folgendes – optimalerweise schriftlich – zu definieren:

  1. Was ist mein eigentliches Ziel / mein wahres Interesse?
  2. Was ist mir im Rahmen des Verkaufsvorhabens wichtig und warum?
  3. Was ist eine realistisch erzielbare Kaufpreisober- und -untergrenze?
  4. Wann möchte ich frühestens, wann spätestens verkaufen?
  5. An wen möchte ich bevorzugt verkaufen bzw. an wen möchte ich nicht verkaufen?
  6. Möchte ich nach dem Verkauf weiterhin in der Apotheke arbeiten – wenn ja, auf welcher Basis und mit welcher konkreten Vergütungsstruktur?
  7. Wem spreche ich die Kompetenz zu, mich bei all diesen Fragen zu beraten/unterstützen?

Tipp 1:
Realistisch bleiben

Gerade die Kaufpreisfindung ist ein sensibles Thema, da wir dazu neigen, Dingen, die wir besitzen, einen viel höheren Wert zuzuschreiben, als sich dieser unter objektiven Gesichtspunkten darstellt.
In einem Seminar wiesen Harvard-Professoren den Teilnehmern Rollen von Verkäufer und Käufern von Unternehmen zu – mit dem Auftrag, jeweils den Wert des Unternehmens zu ermitteln. Die Verkäufer schätzten den Wert des Unternehmens dabei im Vergleich zur Käufergruppe durchschnittlich fast doppelt so hoch ein.

Tipp 2:
Ein von Ihrer Käuferzielgruppe akzeptiertes Unternehmen wählen

Können Sie Kaufinteressent:innen eine fundierte Kaufpreisermittlung in Verbindung mit einem aussagefähigen Exposé vorlegen, das von einem renommierten Unternehmen erstellt wurde, hat dies eine ganz andere Qualität, als wenn Sie einen pauschalen Wert aussprechen, den Sie schätzen oder den Ihnen Ihr Steuerberater oder Ihr Großhändler zugerufen hat.

Tipp 3:
Den wirtschaftlichen Nutzen aufzeigen

Sie setzen Ihren Kaufpreis deutlich leichter durch, wenn Sie potentiellen Erwerber:innen darlegen können, wie gut sich Ihre Apotheke nach Übernahme ganz konkret rechnet. Das funktioniert am besten über eine nachvollziehbare Wirtschaftlichkeitsberechnung die selbstverständlich auch die Kosten für die Rückführung des Kaufpreises berücksichtigt (Zins- und Tilgungsleistung bei der Bank) und den Vergleich zu einem üblichen Angestellteneinkommen abbildet.


Echte Alternativen stärken Ihre Verhandlungsposition.

Ein guter Cowboy hat immer einen zweiten Colt im Halfter!
Gerade für Menschen, die nicht gern oder nicht gut verhandeln, sind starke Alternativen wichtig. Denn wer seine Alternativen nicht kennt, wird in der Verhandlung schlechter abschneiden, als er es müsste.

Führen Sie daher immer erst die Gespräche mit Ihrem zweit-/drittliebsten Bewerber – und erst wenn Sie wissen, was der Markt bietet, suchen Sie das Gespräch mit Ihrem Favoriten. Das gilt insbesondere für Gespräche mit eigenen Mitarbeiter:innen. Der positive Nebeneffekt, der sich hierbei ergibt, ist der, dass Sie Erfahrungen sammeln und auf das entscheidende Gespräch mit Ihrem bevorzugten Käufer optimal vorbereitet sind.

Je besser Sie Ihre Alternative kennen, desto weniger abhängig sind Sie von Ihrem aktuellen Verhandlungspartner. Stellen Sie sich vor, mit welch gutem Gefühl Sie in das Gespräch mit Ihrem favorisierten Kaufinteressenten gehen, wenn Ihnen bereits zwei andere Interessenten verbindlich signalisiert haben, dass Sie Ihre Apotheke gerne zu den gewünschten Konditionen kaufen möchten.

Tipp 1:

Bluffen Sie nicht. Ihre Verhandlungsmacht steigt mit jeder echten Alternative – wobei die Betonung auf echt liegt. Kaum jemand blufft so gut, als dass sein Gegenüber nicht irgendwann die Wahrheit spüren würde.

Tipp 2:

Ihre Alternativen müssen unbedingt zeitgleich existieren, da es sein kann, dass Sie einer der Verhandlungspartner zu einer Unzeit unter Druck setzt oder abspringt. Wer jetzt einen „zweiten Colt im Halfter“ hat, kann schnell reagieren und das Geschäft in trockene Tücher bringen.

Tipp 3:

Die Suche nach Alternativen lohnt sich immer. Selbst dann, wenn Sie keine finden sollten. Denn wenn Sie wissen, dass Sie keine Alternative haben, werden Sie umso mehr bemüht sein, den aktuellen Deal nicht platzen zu lassen.


Wissen ist Macht!

Wer die Interessen seines Gegenübers kennt, muss sich keinem Preiskampf aussetzen.

Je mehr Sie über die wahren Interessen Ihres Verhandlungspartners wissen, desto leichter wird es Ihnen fallen, zu beurteilen, was einer Einigung im Wege steht und wer mehr zu verlieren hat, wenn der „Deal“ platzen sollte.

Wie Sie diese Interessen herausbekommen? Ganz einfach – Sie fragen danach.

Über die Kunst die verhandlungsstrategisch richtigen Fragen zu stellen, wurden ganze Bücher verfasst. Aber man muss, zumindest im Hinblick auf den Apothekenverkauf, keine Wissenschaft daraus machen. Alles dreht sich um eine Schlüsselfrage: Warum interessiert sich Ihr Gegenüber gerade für Ihre Apotheke?

Hat er gegebenenfalls ein Grundstück oder ein Haus in der Nähe geerbt? Wohnen die zunehmend pflegebedürftigen Eltern in der Gegend? Ist der Käufer begeisterter Segler und Ihre Apotheke liegt direkt an einem großen See? Hat die Ehefrau einen sehr gut bezahlten Job in unmittelbarer Umgebung? Ist Ihre Apotheke das letzte fehlende Puzzleteil für den Platzhirschen? Wird für den Sohn oder die Tochter eine Apotheke zur Übernahme in der Nähe der elterlichen Betriebe gesucht?

Sie sehen: Es kann zahllose Gründe geben.

Unabhängig davon, dass Fragenstellen strategisch klug ist, wird sich Ihr Gegenüber über Ihr Interesse freuen und wertgeschätzt fühlen und Sie werden sehen, dass man Ihnen fast immer bereitwillig antworten wird.

Manchmal ist der Kreis der Akteure größer, als Ihnen das auf den ersten Blick bewusst ist. Wenn Sie spüren, dass der wahre Entscheider im Hintergrund agiert (wie ein Ehepartner), beziehen Sie ihn, wenn möglich, mit in die Gespräche ein. Niemand kennt Ihren Standort so gut wie Sie. Wenn einer der Eheleute die Apotheke unbedingt kaufen möchte, der andere jedoch Bedenken im Hinblick auf den Schulweg der Kinder, das kulturelle Angebot oder sonstige vermeintliche Barrieren hat, kann eine Einladung zum Kaffeetrinken in lockerer Runde manchmal helfen, diese auszuräumen.

Tipp 1:

Stellen Sie Fragen. Wer Fragen stellt, wird wertvolle Antworten erhalten. Wer keine stellt, kann die Entscheidungen der Gegenseite häufig nicht mit beeinflussen.

Tipp 2:

Wer selbst viel redet, wird wenig über den anderen erfahren. Seien Sie daher ein guter Zuhörer. Als Richtwert empfiehlt sich: 85 Prozent zuhören, 15 Prozent sprechen.

Tipp 3:

Erkennen Sie den wahren Entscheider und beziehen Sie diesen unbedingt in die Gespräche mit ein.


Die Nachbereitung

Pflegen Sie die Beziehung zu Ihrem Verhandlungspartner!

Wer kennt das nicht. Die Verhandlung ist beendet, man kommt zur Ruhe und überlegt noch einmal, ob man die richtige Entscheidung getroffen hat.

Unsere Tipps, damit es nicht zu einem nachträglichen „Rückzieher“ kommt:

Tipp 1:
Sorgen Sie dafür, dass sich Ihr Verhandlungspartner als Gewinner fühlt

Es ist insbesondere nach harten und manchmal auch langen Verhandlungen wichtig, dass Ihr Verhandlungspartner nicht das Gefühl hat, „den Kürzeren gezogen“ zu haben. Sagen Sie ihm, was für ein guter Verhandler er ist. Begegnen Sie ihm mit Wertschätzung und einer gewissen Großzügigkeit. Wenn Sie ihr Kaufpreisziel durchsetzen konnten, übernehmen Sie beispielsweise die Kosten für die Kaufvertragserstellung.

Tipp 2:
Fertigen Sie einen Letter of Intent an

Erstellen Sie sehr zeitnah nach Ihrer finalen Verhandlung ein Protokoll über das Besprochene und lassen Sie es Ihrem Verhandlungspartner zur Durchsicht und Korrektur zukommen. Damit stellen Sie sicher, dass man nicht aneinander vorbeigesprochen hat. Zudem dient das von beiden Parteien freigegebene Protokoll dem mit der Kaufvertragserstellung beauftragten Anwalt als Basis.

Tipp 3:
Bis zur offiziellen Übergabe verlässlich und angenehm bleiben

Es muss und kann nicht aus jeder Übergabeverhandlung eine Freundschaft entstehen. Dennoch ist eine dauerhaft gute Beziehung für beide Kaufvertragsparteien nicht zuletzt vor dem Hintergrund wichtig, als dass zwischen Kaufvertragsunterzeichnung und Übergabe/Übernahme der Apotheke in der Regel viele Wochen, manchmal Monate liegen, in denen die Übergabe miteinander vorbereitet werden muss. Deswegen gilt es – schriftlicher Vertrag hin oder her – bis zur offiziellen Übergabe ein verlässlicher, zuverlässiger und angenehmer Geschäftspartner zu bleiben.

In der kommenden Ausgabe erwartet Sie das Thema:
„Wie Sie die üblichen Verhandlungsfehler vermeiden“

Stefan Burr
Gesellschafter-Geschäftsführer s.s.p. Die Apothekenvermittler
Quelle: LAV BADEN-WÜRTTEMBERG E.V.
Ausgabe 4 / 2022